Hundertwassers Kommentar zum Werk

Aquarelle, die ich auf Papieren mit unregelmäßigem Rand malte, gibt es viele. Seit ich auf festem Grund male, wie z. B. Holz-, Holzfaser-, Sperrholzplatten, habe ich diese meine Tradition fortgeführt, mit in Paris, auf der Straße gefundenen Hölzern. Jetzt, wo ich es mir leisten kann, die besten und teuersten Malgründe in den exklusivsten Künstlerzubehörgeschäften zu erwerben, ist das für mich völlig unbefriedigend, ja sogar Kreativität-tötend. So gehe ich oft bei Morgengrauen, bevor die Müllfahrzeuge kommen, durch die Straßen von Paris und finde die phantastischsten Malgründe, teils aus Poubelles hervorragend, teils direkt auf der Straße. Laubsägehölzer, Sperrholzplatten, denen Ecken fehlen oder deren Ränder zerfranst sind, weggeworfene Restaurantschilder, Switchboards wie dieses, wo noch die Schalter drauf sind, und vieles mehr. Paris bei Tagesanbruch ist eine Schatztruhe. Das alles auf der Straße zu finden, im kalten Morgennebel, wenn Paris erwacht, bereitet mir eine unaussprechliche Hochstimmung. Beim Nach-Hause-Tragen überlege ich mir schon, welche Stücke ich mit welchen anderen zusammenfügen kann, wobei oft noch mehr Unregelmäßigkeit, sowohl des Randes als auch der Dicke entsteht, und was ich darauf malen werde. Zu Hause wird gesäubert, geleimt, genagelt, grundiert, und die entstandenen Malplatten sind bereits Kunstwerke, sowohl von vorn als auch von hinten, fast zu schön, um sie zu bemalen. So entsteht die wahre Kostbarkeit des Malgrundes, auf dem man ganz einfach Kostbares und Schönes zu malen verpflichtet ist.siehe auch Werke 147, 169, 171, 174, 176, 725, 753, 754, 808, 809, 820, 839, 904, 928 (aus: Hundertwasser 1928-2000, Catalogue Raisonné, Bd. 2, Taschen, Köln 2002, S. 626)