Atomenergie ist ein gefährliches Spiel

Hundertwasser

Das Spiel mit der Atomenergie ist ein gefährliches Spiel.
Ein leichtsinniges Spiel mit dem Tod.

Sicher ist, daß irgendwo ein Super-GAU passieren wird.
Sicher ist, daß die Atommüllkonserven leck werden trotz Glas, Beton und sonstigen Hüllen.

Es ist wie beim russischen Roulette.
Einmal geht es los. Genau dann, wenn wir es nicht erwarten.

Es gibt kein sicheres Versteck oder Depot für nuklearen Abfall, auch nicht in scheinbar vorläufig erdbebensicheren Gebieten.

Kriege, Bomben, Bulldozer, Seismen, Erdverschiebungen wühlen alles um. Nichts ist statisch auf dieser Erde oder im Weltall. Alles ist im Fluß.

Wissen wir, wo die Inkas, wo Karthago Dinge vergraben haben? Und das ist erst 2000 Jahre her. Wissen wir, wo unsere Großmutter ihre Goldmünzen versteckt hat? Und das ist erst 50 Jahre her. Nuklearer Abfall aber bleibt 500 000 Jahre todesgefährlich für alles Leben.

Die ersten versiegelten Container mit Atommüll sind schon durchgefressen und geben Radioaktivität frei. Obwohl sie erst vor 20 Jahren versenkt oder vergraben wurden.

Und schon weiß man nicht mehr genau, wo man diese Container versteckt hat.

Atommüll läßt sich nicht vergraben wie eine schöne Leich'.
Atommüll wird nicht zu Humus.
Versiegelte Atommüllbehälter sind Zeitbomben.
Aufbrechen tun sie sicher.

Politiker und Wissenschaftler garantieren uns Unschädlichkeit der Atomenergie für unendliche Zeiträume. Das ist eine verbrecherische Lüge. Sie haben nur ihre persönliche Karriere und kurzsichtiges Profitdenken im Kopf und sie sehen die Gefahr für künftige Generationen nicht voraus.

Warum sollten wir uns dem Gutdünken einer Handvoll Wissenschaftler aussetzen, die vom Fortschritt verblendet sind und denen es darum zu tun ist, an den Schaltstellen der Atomkraft herumzuspielen.


Polizei- und Sicherheitsmaßnahmen werden auf Kosten unserer toleranten menschlichen Gesellschaft gehen und eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Dieser Preis ist uns zu hoch.

Eine zentral gelenkte Energie bringt eine erhöhte Automatisation, die den Menschen noch mehr überflüssig machen wird.

Das Resultat ist Arbeitslosigkeit.

Atomenergie ist eine wirtschaftliche Katastrophe.

Atomenergie kostet mehr als sie einbringt.

Arbeitslosigkeit, permanente Todesgefahr, schleichende Seuchen, Verlust der Menschenwürde, Verlust der Heimat wiegen mehr als das Bißchen mehr gefährliche Energie, die auf die Zerstörung der Natur und des Menschen getrimmt ist.

Ich möchte darauf hinweisen, daß Atomenergie auf kurze Sicht nur scheinbar Antwort auf scheinbare Energienöte gibt.

Langfristig gesehen hingegen erzeugt die Atomenergie eine Kettenreaktion neuer Katastrophen.

Je mehr Zeit vergeht, umso besser erkennen wir die Tragweite der Gefahren, die wir in die Welt gesetzt haben. Neue, unvorhergesehene Probleme werden immer teurere und gefährlichere Gegengifte erforderlich machen. Die Erfahrungswerte sind heute noch zu gering, um dies in seiner ganzen Tragweite zu erkennen.

Es wäre unverantwortlich zu ignorieren, daß uns Techniker, Wissenschaftler und Spezialisten in eine unüberschaubare Problemwelt führen, die sie selbst nicht mehr bewältigen können. Wir aber werden abhängig von todesgefährlichen Dingen, die wir nicht mehr begreifen.

Das ist das Ende von uns allen.

Schade.

Wir müssen wieder leben, als wären wir im Krieg.

Der Mensch muß vorsichtig sein.

Muß selbständig denken, muß haushalten.

Darf nicht blind verschwenden.

Der Mensch muß achten, daß der Kreislauf funktioniert.

Das Glücklichsein hängt vom Reichtum überhaupt nicht ab.
Hängt von der Produktion nicht ab.

Das technokratische Chaos ist ein Krebsgeschwür und kann nur ökologisch abgebaut werden.

Dies ist ein langer Weg, aber der einzig mögliche.

Einen Baum schneidet man in fünf Minuten um. Zum Wachsen braucht er aber 50 Jahre. Das ist ungefähr das Verhältnis zwischen technokratischer Zerstörung und ökologischem Aufbau.

Die ökologische Bewältigung unserer verfahrenen Situation kann jedoch nur mit schöpferischem Geist, gepaart mit dem Wissen um die Gesetze der Natur gemeistert werden.

Keinesfalls aber mit industriellem Fortschrittsdenken.

Der sogenannte Fortschritt ist zum Schritt an den Abgrund geworden.

Überleben können wir nur durch einen Rückschritt.

 

Anlässlich Hundertwassers Anti-Atom-Kampagne in Washington

Publiziert in:

Hundertwasser. New York: Parkstone Press International 2008, S. 197-200